Mittwoch, 01 April 2020 09:30

Rendezvous der Charmeure

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Renault 4 Plein Air und Renault Wind

Zwei automobile Exoten erobern den Kölner Rheinauhafen: Nicht nur bei Sonja und Helena erregen der 1969er Renault 4 Plein Air und der nagelneue Renault Wind große Aufmerksamkeit – mehr als so mancher bekannte Supersportwagen. Die beiden offenen Franzosen gehören zu den Raritäten im dicht bevölkerten deutschen Straßenbild und garantieren mit ihrem Sonderstatus ihren Besitzern die hochwillkommene Exklusivität.

Der tief ausgeschnittene Plein Air gibt sich ohne Türen und Dach offenherzig wie eine Oberkellnerin beim Münchner Oktoberfest, der neue Wind pflegt im reizvollen Kontrast dazu die hochgeschlossene Garderobe mit raffinierten Einblicken – kalt lässt keiner den Betrachter.

Strandcruiser gegen Cityflitzer

Die beiden Cabrio-Testerinnen nehmen ihre Aufgabe mit aller gebotenen Neutralität in Angriff. Doch Sonja erliegt auf Anhieb dem nostalgischen Charme des Plein Air und schwingt sich auf die durchgehende vordere Sitzbank. Hier gibt es viel Platz, zur Not auch für drei Frischluft-Liebhaber, aber keinen Seitenhalt. Das filigrane Lenkrad in traditioneller Hornanmutung wirkt mit maximal 15 Millimeter Material-Durchmesser zerbrechlich, muss aber große Kräfte aushalten, da die Servolenkung fehlt. Mit Frontantrieb nicht gerade die bedienungsfreundlichste Lösung.

Ganz anders der Wind: Mit ergonomisch geformtem Grip, optimal gepolstert und in edles Leder eingeschlagen, liegt das deutlich kleinere Lenkrad perfekt in der Hand – und lässt sich mit zwei Fingern mühelos bewegen. Die konturierten Einzelsitze bieten soliden Seitenhalt, und die Hand fällt automatisch auf den griffgünstig platzierten Schalthebel des 5-Gang-Getriebes. Der gesamte Eindruck ist deutlich sportlicher und deutet die hohe Fahrdynamik des Coupé-Roadsters schon im Stand an.

Aber auch auf Komfort legen Sonja und Helena durchaus Wert. Die fehlenden elektrischen Fensterheber kann der mehr als 40 Jahre alte Plein Air noch lässig ausgleichen – schließlich verzichtet er konsequent einfach auf Fenster und Türen. Aber das hochwertige Soundsystem mit lebensechtem Raumklang des Wind vermissen die Oldtimer-Interessierten ebenso wie die Klimaanlage. Mit solchen heutzutage selbstverständlichen Details hält sich der Minimalist auf der R4-Plattform vornehm zurück – das simple Radio verlangt noch nach manueller Sendersuche am Drehrädchen.

Seine großen Vorteile spielt der Wind als perfektes Ganzjahresauto aus. Ein Dreh aus dem Handgelenk genügt, schon ist das Dachelement ent- oder verriegelt. Danach ein Knopfdruck, und in nur zwölf Sekunden verschwindet die stabile Kunststoffhartschale unter der formschönen Abdeckung – oder taucht genauso schnell wieder aus der Versenkung auf. „Wow, hier bekommen wir wirklich zwei Autos zum Preis von einem“, sind sich die beiden Testfahrerinnen einig. Ein plötzlicher Wolkenbruch beim Sommergewitter, der kühle Hauch in der Abenddämmerung – ein Ampelstopp genügt für die Verwandlung vom offenen in den geschlossenen Zweisitzer.

Der Renault 4 Plein Air macht den Wetterschutz dagegen zu einer schweißtreibenden Angelegenheit: Zuerst gilt es, die schwergängigen Druckknöpfe der Verdeckabdeckung zu lösen. Anschließend muss das Gestänge Modell Sonnenschirm entfaltet werden. Um danach die beiden gürtelähnlichen Gurte am Dachholm der Windschutzscheibe festzuspannen, sind Kraft und Geschick gefragt. Über dieses eher wackelige Fundament wird nun die Plane aus Segeltuch samt blinder Kunststoffheckscheibe gezogen. Fertig, und eins wird schnell deutlich: Der Renault 4 Plein Air eignet sich überwiegend für heitere Sonnentage, vorzugsweise an der Côte d’Azur oder im lieblichen Tal der Ardèche. Das so genannte Dach eignet sich perfekt als Sonnensegel, schützt aber weder vor längeren Regenschauern noch vor dem Mistral.

Herrin der Winde

Bei schönem Wetter spielt der Plein Air jedoch seine Trümpfe aus. Schon das Starten funktioniert problemlos: Den Choke um gefühlt ein Drittel gezogen, einmal den Schlüssel herumdrehen, und schon brabbelt der kleine Vierzylinder zufrieden vor sich hin.

Die Gangwahl erfordert jedoch eine kleine Einweisung: Der erste Gang liegt hinten links. Doch bereits nach wenigen Metern liegt die längst in Vergessenheit geratene Revolverschaltung auch den jungen Frauen vertraut in der Hand – obwohl sie viele Jahre später geboren sind, als die Revolverschaltung schon wieder aus der Mode war. Die Wechsel gleiten geschmeidig und präzise durch die Schaltbox, die mit vier Gängen ihrer Zeit voraus war. Model Sonja genießt die rollende Freiluftarena: „Fährt sich prima und auch nicht schwieriger als ein neues Auto“, stellt sie erstaunt fest.

Kurven durchrollt der Plein Air allerdings mit zeittypischer Seitenneigung. Kopfsteinpflaster, Querfugen und selbst den Bordstein meistert das komfortable Fahrwerk mit sprichwörtlich französischer Souveränität. Vorbildlich. Von den Fahrleistungen schweigt indes des Chronisten Höflichkeit. Nur so viel: Ja, es gibt welche. Die 26 PS haben mit den rund 590 Kilogramm Gewicht nur auf dem Papier leichtes Spiel. Für nennenswerte Höchstgeschwindigkeiten ist der Vier- bis Sechssitzer (oder Achtstehplätzer) nicht ausgelegt. Nur beim Ampelstart erweist sich der alte Franzose als erstaunlich agil: Die Beschleunigung reicht locker, um die äußerst leger befestigten Sonnenblenden immer wieder ins Sichtfeld rutschen zu lassen.

Windrausch ohne Sicherheitseinbußen

Ein völlig anderes Erlebnis bietet die Ausfahrt im Wind. Der moderne 1,6-Liter-Motor mit 98 kW/133 PS sorgt für äußerst sportliches Vorwärtskommen und verleiht jederzeit das Gefühl beruhigender Leistungsreserven. Dabei vermittelt das Fahrwerk guten Kontakt zur Fahrbahn. Bei der schnellen Autobahnfahrt demonstriert der Wind dann seine Qualitäten als Langstreckenwagen. Weder Windgeräusche noch ein flatterndes Verdeck stören die Unterhaltung. Zudem sorgt die stabile Fahrgastzelle zusammen mit den vier Airbags für höchste Sicherheit.

Am Ende des Tages heißt es, mit einer Träne im Augenwinkel Abschied zu nehmen. Helena fährt den dynamischen Wind zurück. Sie genießt offensichtlich die Aufmerksamkeit, die ihr mit dem neuen Renault gewiss ist. Mancher Autofahrer wirft neugierige Blicke auf den kompakten Sportler. Sonja ist hingegen dem Renault 4 Plein Air verfallen und steuert ihn leihweise in die heimische Garage. Bei der letzten Disziplin hat er noch einmal die Nase vorn. Sie kommt an fünf roten Ampeln zum Halt. Viermal recken die Fahrer im Nachbarauto anerkennend den Daumen nach oben und freuen sich sichtlich über den charmanten Urahn aus unbeschwerten Cabriozeiten.

Quelle: Renault Presse-Service, 02.11.2010
Gelesen 1447 mal Letzte Änderung am Mittwoch, 01 April 2020 11:12

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